formalisierung ist nach husserl formalisierung (eine praxis), d.h. absehen vom inhalt, abstraktion – sachgehalte werden nach husserl in modi des leeren etwas-überhaupt verwandelt; ist natürlich wichtig für logik
formalisierung ist in foucaults „ordnung der dinge“ eine der beiden im 19. jahrhundert gestifteten wege (od 363) neben der interpretation (marx, nietzsche, freud) – interpretieren und formalisieren als die beiden großen formen der analyse
derrida: „ende des menschen“ und bataille-aufsatz („von der beschränktern zur allgemeinen ökonoomie“): während die phänomenologie eine reduktion auf den sinn betreibt im sinne einer rückführung auf den sinn, handelt es sich beim stukturalismus um eine „reduktion des sinns“, d.h. rückführung des sinns auf formale organisationen, die nicht sinnhaft sind; eine andere reduktion des sinns wäre die transgression des sinns wie bei bataille, die jedoch keine setzung des nichtsinns ist; setzung des nichtssinns wäre eine metaphysik des nichtsinns
beim formalismus sieht derrida die gefahren einer formalistischen metaphysik (siehe „struktur, das zeichen und das spiel“); auch dass die kraft nicht gedacht wird (siehe “kraft und bedeutung”)
phänomenologisch: es wird im formalismus vorausgesetzt, dass die form das wahre ist, das quantifizierbar, der inhalt ist nebensächlich – dahinter steckt das begehren nach einer universalen sprache, die transponierbar ist (formelsprache der welt)
auch der formalismus (auch die mathematik) ist auf die alltagssprache verwiesen, die ja erklärt, was man da tut, es wird ausgehend von bestimmten bereichen formalisiert (ähnliches problem wie mit den bildern der hirnforschung, die erklären sich ja nicht selbst, sondern müssen interpretiert werden, setzen die alltagssprache voraus) – man kann nur innerhalb des sinns auf sinnbrüche aufmerksam machen, der nichtsinn kann kein sonderbereich sein, sonst wäre man in einer metaphysik des nichtsinns
man kriegt die empirie nicht weg, eine absolut reine form gibt es nicht; den formalismus absolut zu setzen ist auch eine (metaphysische) entscheidung, das wären argumente von der phänomenologie aus, aber auch von derrida und sogar von zizek (in seiner kritik an badiou in „weniger als nicht“, s. 627, 1098)
moderne literatur z.b wie bei blanchot als versuch den nichtsinn zu inszenieren (in der literatur geht es darum, „nichts“ zu sagen) – anderer weg den nichtsinn zu inszenieren als der formalismus
das reale als unsagbar etc: analogie zu den ganzen diskussionen in der französischen philosophie – wie das undarstellbare darstellen wie den nichtsinn thematisieren?
in der sprachphilosophie: bertram, lauer, liptow, seel, „in der welt der sprache“ (stw) gehen dem formalismus und postformalismus in der sprachphilosophie des 20. jahrhundert nach
badiou scheint darum so viel mit lacan anfangen zu können, weil für ihn die mathematik an das wahre rankommt, damit wird natürlich eine bestimmte ontologie kreiert; glaube, dass man mit der mathematik der metaphysik, dem sinn, dem historismus, der romantik etc. entkommt; große geste: cantor als neuer held bei badiou, der gegen die ganzen philosophien der endlichkeit eingesetzt werden kann („bedingungen“, s. 339); ein bisschen wohl wie bei heidegger, statt seinsvergessenheit der philosophie mathematikvergessenheit
bei badiou: martialische rhetorik der härte gegen die „weicheier“ der endlichkeitsphilosophie
frage: ob man sich nicht selbst eine falle baut, wenn man sinn so als totalität ansetzt und dann ein außerhalb sucht und glaubt, das in der mathematik zu finden – auch darüber spricht man ja in bedeutungen und macht nicht formeln über formeln; problem auch der philosophischen diskussion, wenn man so einen sinnbegriff hat; wäre im philosophischen diskurs natürlich eine bestimmte theorie des sinns
zudem wird bei badiou eine „privilegierter“ zugang (mathematik) dogmatisch gesetzt
nichtselbstverständlichkeit, dass das mathematische unendlich das unendliche schlechthin sein soll und dass das dann noch der eigentliche gegenstand der philosophie (nähe von badiou zu meillassoux –will ja auch die philosophie nach kant und vor allem die endlichkeitsphilosophie von heidegger etc. überwinden); und warum soll nun auch die psychoanalyse nur einen gegenstand haben, das unendliche??? vorausgesetzte metaphysische entscheidung: mathematik, mathematisierbarkeit als das eigentliche; ist psychoanalyse nicht umgekehrt einer radikale philosophie der endlichkeit (tod, kastration etc.)?
bei zizek das reale als das nicht-formalisierbare
gefahr des herren- und geheimwissens: mathematik als neuer superdiskurs, als ob das selbstverständlich ist, wenn man die mathematik auszeichnet
mathematisierung ist nur für naturwissenschaften ein signum für modernität; für andere wissenschaften nicht, das modell der mathematik sollte nach foucualts „archäologie des wissens“, s. 269, kein modell für andere historien der wissenschaften sein, führt zu falschen deutungen der wissenschaftsgeschichte
nach badiou und auch fink treibt lacan die formalisierung so weit, bis sie scheitert (bei fink eine gödelscher strukturalismus); badiou weist darauf hin, dass die formalisierung nicht gelingt, das subjekt und das reale ist nicht mathematisierbar, formalisierbar – darum kann man aus der formalsisierung auch kein projekt machen, um eine universalsprache zu machen (fink, das lacansche subjekt, s. 165; badiou, roudinesco, „lacan“, s. 72 ff.)
bei castoriadis, der ja auch mathematiker war, interessanterweise gerade umgekehrt mit der formalisierung in seiner ontologie: mengenlehre bestimmt das seiende in seiner mengenförmigen und abzählbaren seinsweise; unbewusste wäre dagegen nicht zählbar – andere logik, logik der magmen (analogie zu irigaray???); abzählbarkeit und mengenlehre setzt distinkte entitäten voraus, identität und differenz, satz vom widerspruch; man ist in der ordnung der bestimmtheit, sein als bestimmtsein
5 Replies to “notizen: vom nutzen und nachteil der formalisierung/mathematisierung fürs leben”
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Es scheint eine Reihe von Missverständnissen im Spiel zu sein, falls sich die obigen UEberlegungen zum Nachteil von Formalisierung (vom Nutzen findet sich eigentlich kaum etwas) auf Lacans Einsatz der Topologie oder auf seine Lust an einer formelhaften Verknappung beziehen. Am deutlichsten klingt das Missverständnis in der Annahme an, Psychoanalyse sei (eine besonders radikale Form von) Philosophie.
Beide, Philosophie und Psychoanalyse, sind eigene Weisen, sich mit (gegebenen, gesuchten, verschwundenen, nicht zu findenden etc.) Bedeutungen zu beschäftigen. Aber sobald in Betracht gezogen wird, wie diese Beschäftigung aussieht, trennen sich die Wege. Das hängt u.a. damit zusammen, dass Psychoanalyse a) eine Übertragungspraxis ist (und sich daher kaum für den Sinn einer Aussage als solchem interessieren darf) und b) vornehmlich mit individuellen Bedeutungen (nahe an einem Privatsprachenidiom), mit verlorenen Bedeutungen (in Symptomen), (in ihrer strukturalen Ausformung) mit zerschlagenen Bedeutungen, weil nur noch der Klang zugänglich ist, zu tun hat…. Hier müsste natürlich viel mehr gesagt werden.
Abstraktion ist m.E. nicht etwas, was auf die Logik beschränkt werden kann (oder soll). Abstraktion in der Kunst als eigenständige ästhetische Formbildung (übrigens spannender Aufsatz von Dirk Westerkamp im nächsten Journal Phänomenologie 45) oder Abstraktion in der Philosophie als ein Absehen von konkreten Problemstellungen wären Gegenbeispiele. Solche Abstraktionen berücksichtigen inhaltliche und teilweise auch formale Aspekte absichtlich nicht, um dafür andere zu unterstreichen. “Leer” kommt mir da eher wie die Beschreibung eines Grenzfalls vor, der für die meisten Abstraktionen nicht zutrifft. Vielleicht macht es vor diesem Hintergrund Sinn, von mehr oder weniger abstrakten Zugangsweisen zu sprechen. Und Lacan hat – vielleicht anders als Foucault – einen Spaß dran, von Details zu abstrahieren, abstrakte Konzepte einzuführen, z.B. real, symbolisch, imaginär.
Da die Psychoanalyse (mit der Psychiatrie als medizinische Beschäftigung mit Anormalem) am Rande eines Konflikts zwischen Moralisten und Somatikern entstanden ist (Heinroth gegen Griesinger) steht sie mit einem Bein auf der Seite der Wissenschaften vom Somatischen (denn Freud war kein Moralist). Unter der Haut, im Somatischen, lässt sich mit hermeneutischer Forschung nur bedingt weit kommen. Die (tentative) Formelbildung, die Formalisierung von erwarteten empirisch nachzuweisenden Zusammenhängen ist dagegen im Bereich von Wissenschaften, die sich mit dem Körper auseinandersetzen, eine Methode geworden, die sich etablieren konnte. (Das bedeutet nicht, dass dieser Zugang ALLES abdecken kann, aber er ist nicht schlechter als andere.)
Lacans Bereitschaft, sich mit anderen Zugängen als einem hermeneutischen einzulassen, hat aus meiner Sicht keinen “Totalitätsanspruch”. In der Psychoanalyse, in ihrer Praxis und damit auch in ihrer Theorie, ist die Fähigkeit, in der Rezeption von Gehörtem kreativ zu sein und neue Zusammenhänge sehen zu können, zentral. Dass es gerade in anderen, fremden (Künsten und) Wissenschaften Potentiale geben kann, die einen die eigenen Fragen neu sehen lassen, hat Lacan von den frühen Dreißiger Jahren an gelebt (Surrealismus, Linguistik, Kybernetik etc.). Das Scheitern solcher Ansätze gehört dabei für ihn immer wieder auch zum Programm. Das hängt mit dem Gegenstand der Psychoanalyse zusammen: Am Unbewussten können Wissenschaften letztlich nur scheitern, insofern sie sich als systematisch begreifen.
Das Thema der Unendlichkeit erfordert meines Erachtens eine mehr ins Detail gehende Beschäftigung mit den mathematischen Grundlagen. Eine Pro-Kontra-Diskussion führt da nicht wirklich weiter.
klar, war das eine kritische anfrage an die formalisierung. mein “missverständnis” (psychoanalyse sei nicht philosophie) kann ich so nicht nachvollziehen: dass die psychoanalytische praxis nicht philosophie ist, ist klar. ich beziehe mich auf texte und sätze, und in dem moment, wo ein ein psychoanalytiker oder ein künstler schreibt, ist es ein text, der auch theorie/interpretation enthält. es wäre für mich eine selbstimmunisierung und auch ein trick auf der ebene der argumentation, wenn man sich einfach auf eine erfahrung (die praxis der übertragung) beruft, vor der die theorie halt machen muss bzw. aufgeschlossen ist. so wie wenn ein religiöser mensch oder theologe sagen würde, freuds religionskritik sei ein „missverständnis“ und gilt nicht, weil religion eine erfahrung ist, die nicht von der philosophie oder der freudschen kulturtheorie verstanden werden kann. sobald es text gibt, kann ich die unterscheidung von psychoanalyse und theorie/philosophie nicht trennscharf machen.
Der Text _in_ der Psychoanalyse ist etwas anderes als Texte _über_ Psychoanalyse. “Texte über” machen das, worüber geredet wird, nicht zur selben Klasse von Text. Das Argument, dass alles Text und daher Philosophie sei, würde aus jeder Zeitungsannonce und jedem Kochrezept Philosophie machen. Oder aus Religion Religionsphilosophie.
Wenn Du sagen wolltest, dass die Philosophie der Psychoanalyse eine Philosophie ist, ist wenig dagegen einzuwenden. Aber die Philosophie der Psychoanalyse ist vermutlich nicht radikaler als andere.
ich finde, die unterscheidung von IN und ÜBER ist diskurstheoretisch sehr schwierig. wenn die unterscheidung mehr oder weniger deskriptiv gemeint ist im sinne eine situativen unterscheidung: IN als sätze, aussagen innerhalb der analysestunde und mit ÜBER die nachträgliche reflexion, dann habe ich damit kein problem. und da wäre dann wahrscheinlich das spannende problem des verhältnisses von erfahrung/praxis und interpretation. das wäre eine engere auslegung des verhältnisses von IN und ÜBER (IN nur als sätze in der analysestunde). wenn es das verhältnis von textgattungen oder sprecherpositionen ist, wird es meiner meinung nach schwieriger. eine möglichkeit wäre es, die differenz von IN und ÜBER so zu verstehen, dass mit IN auch fallgeschichten gemeint sind (wolfsmanntext). dann wäre die differenz auch innerhalb der psychoanalyse, weil es ja auch stärker theoretische texte gibt (z.b. die metapsychologischen schriften von freud). wenn mit IN und ÜBER vor allem sprecherpositionen und gruppen gmeint wären wie IN bedeutet psychoanalytiker und ÜBER nichtpsychoanalytiker, dann wäre meine frage, ob es auf eine hierarchisierung von redeweisen und sprecherpositionen hinauslaufen soll, die bestimmte diskurse auszeichnet. ein ähnliches problem gibt es natürlich bei jedem diskurs. auch die philosophie ist ja ständig damit beschäftigt, was gesagt werden darf und vor allem wer eine legitime sprecherposition hat.
Du hast Recht: IN und ÜBER allein würde zu kurz greifen. Es gehören metapsychologische (und oft mit Fallmaterial angereicherte) Texte als eine weitere Gattung, die zwischen diesen beiden Polen anzusiedeln ist, auch genannt. Und wenn wir schon beim Unterscheiden sind: DIE Psychoanalyse gibt es nicht. Es finden sich heutzutage mindestens drei, vier, fünf große Strömungen (Triebtheorie, Objektbeziehungstheorie, Intersubjektivisten, Ichpsychologen, strukturale Psychoanalyse…) neben einer Vielzahl von kleineren oder gemischten Varianten, die sich voneinander ERHEBLICH unterscheiden, auch und gerade mit Blick auf solche Themen wie “Kastration” oder was eine Psychoanalyse “bewirken” kann oder soll. Das IN steht daher auch für eine Berücksichtigung der Szene, in der heute ge- und behandelt wird.
Was Dein Thema der Hierarchisierung betrifft, tue ich mich schwer. Für mich ist es entweder interessant oder nicht, mit jemandem über Psychoanalyse zu sprechen. Wenn mich biologischer Gemüseanbau interessiert, dann sind für mich Leute, die mit Gemüseanbau Erfahrungen gemacht haben und darüber in nachvollziehbarer und spannender Weise sprechen und andere, die durch intensive Textlektüre auf dem aktuellen Stand der Forschung und Diskussion sind, gleichermaßen interessant. Und wenn jemand beides mitbringt, wird der Lustfaktor einer Auseinandersetzung möglicherweise gesteigert. Wenn Praktiker oder Theoretiker allerdings Urteile darüber zu fällen beginnen, was wichtiger ist, ob das eine nicht eh das andere ist etc. dann haben Machtkämpfe eingesetzt, die für mich eine attraktive Beschäftigung mit der Thematik selbst nicht zulassen.