In einer Tagungsankündigung für 2016 legt Jacques-Alain Miller (2015) einige Züge der späten Körpertheorie Lacans dar. Hier seien nur ein paar Stichworte platziert, die in der weiteren Auseinandersetzung wichtig werden könnten.
Der Text beginnt mit einer Referenz auf das Konzept von amur in Lacans Seminar XX. Amur (im Französischen ein Neologismus, eine Silben-Vermischung zwischen “Liebe” und “Mauer”) stehe für eine Durchlöcherung der Sprachmauer.
Die Psychoanalyse hat es im 21. Jahrhundert mit neuen Herausforderungen zu tun. Das erfordert eine Anpassung von Konzepten. Als Ausdruck der Veränderung wird eine medial beförderte Pornographisierung des Sozialen genannt.
Zum Körper im engeren Sinn findet sich Folgendes:
- Gleichsetzung Imaginäres und Körper (das sei nichts Neues)
- Sprechender Körper als Geheimnis
- Rolle von Chair im Sinne Merleau-Pontys bei Lacan (vgl. Miller 2015, 125)
Das Unbewusste wird im Sinthome-Seminar zum parlêtre. Sinthome und parlêtre sind körperliche Begebenheiten: Genießen steigt auf. Miller macht auf das Konzept des escabeau im Seminar XXIII aufmerksam. Darunter ist wörtlich ein Schemel oder eine kleine Tretleiter gemeint, jedenfalls etwas, auf dem ein Aufstieg möglich ist. Es sei eine Metapher für ein transversales Konzept, in welchem Narzissmus und Sublimation miteinander verbunden werden. (Lacans Sublimationsbegriff: Erhebung des Objekts zur Würde des Dings, siehe obiger link)
Ein parlêtre ist nicht so sehr Körper, sondern hat einen. Es lassen sich im Übrigen zwei Formen des Genießens unterscheiden: Das Genießen des Realen, das zu einem escabeau fuehren kann und das ein Genießen außerhalb des Körpers ist, gegenüber einem Genießen des sinthome, das im Körper anzusiedeln ist.
Und noch zwei Formulierungen, die für eine Weiterarbeit zu entschlüsseln sind:
“Das Reale des Unbewussten ist der sprechende Körper.” Dieser Gedanke gehört zu einem Lacan-inspirierten Verständnis psychosomatischer Symptome. Er richtet sich gegen die Annahme, psychoanalytisch wären körperliche Symptome vor allem entzifferbar, gehört somit zu Lacans Beschreibung psychosomatischer Symptome als Holophrasen.
“Das Genießen des sprechenden Körpers lügt nicht.” Zumal Lügen ein symbolischer Vorgang ist, das Genießen sich dem Symbolischen entzieht, erscheint dieser Satz trivial. Es ist jedoch zu fragen, von welchem Genießen die Rede ist – von einem Genießen innerhalb oder einem außerhalb des Körpers. Erst nach Beantwortung dieser Frage wäre eine Annäherung an das Geheimnis des sprechenden Körpers denkbar.
Literatur:
Miller, Jacques Alain (2015): The Unconscious and the Speaking Body, in: Hurly Burly 1/2015, 119-132.