Geschlecht. Verhältnisse

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In R.S.I. wird einiges über das Geschlechterverhältnis und seine Nicht-Existenz (Ex-sistenz?) gesagt, was ich im Folgenden einerseits aufliste (mit vorangestellten Seitenangaben in der Übersetzung von M. Kleiner), andererseits mittels meiner Lesart paraphrasiere (hier kursiv). Von mir nicht ausgeführt, ist jedenfalls mitzudenken, dass Lacan das Wort „Geschlechtsverhältnis“ nicht immer als eine konkrete Bezeichnung einsetzt, sondern auch metaphorisch, metonymisch und katachrestisch.

R.S.I. (9) Ich spreche hier von der geistigen Debilität der Denksysteme, die (ohne es zu sagen, außer zu den gesegneten Zeiten des Tao oder auch des alten Ägypten, wo sich das mit der ganzen nötigen Verblödung artikuliert), die also die Metapher des Geschlechtsverhältnisses unterstellen, das nicht ex-sistiert, in welcher Gestalt auch immer, in jener der Kopulation, die besonders “grotesk” ist bei dem Sprachwesen und die das Verhältnis angeblich “repräsentiert”, das menschlich nicht zu ex-sistieren ich sage.
Kopulation ist als Darstellung des Geschlechtsverhältnisses ungeeignet, weil Menschen Sprachwesen sind und weil es dieses Verhältnis als reales beim Menschen nicht gibt.
R.S.I. (auf derselben Seite weiter unten) Was ich tatsächlich zeigen muß, ist dies, daß es kein Genießen des Anderen, genitivus objectivus, gibt,
Ein Geschlechtsverhältnis würde die Möglichkeit eines Genießens des Anderen bedeuten.

R.S.I. (27) Ich glaube, daß Ihnen das Buch von Litton Strachey mit besonderer Plastizität die Tatsache spürbar werden läßt, daß die Liebe nichts mit dem Geschlechtsverhältnis zu tun hat, und daß das von einer Frau ausgeht
Also: Trennung zwischen Liebe und Geschlechtsverhältnis. Lacan erklärt in der Folge (auf halblustige Weise) mit Hinweis auf Queen Victoria, dass die Frauen über eine besondere Art von Macht verfügen, die ihnen auch innerhalb der Psychoanalyse einen Spielraum verschafft (hier nennt er M. Klein), den Männer so nicht haben.

R.S.I. (50) Gerade das gibt der Art und Weise, wie ich den Knoten löse [tranche], ihr Gewicht, indem ich aussage, daß es kein Geschlechtsverhältnis gibt.
(51) Das heißt nicht, daß sich das Geschlechtsverhältnis nicht auf der Straße herumtreibt. Bliebe hervorzuheben, daß man alles auf dieses Leiber-Gereibe [frotti-frotta] zurückzentrieren muß, diese Schiebereien, um an was zu appellieren? an das Reale, an das Reale des Knotens. Freud hat einen Schritt getan, indem er einfach merkte, daß man seit jeher von nichts anderem sprach, und daß alles, was sich an Philosophie getan hatte, aus allen Ritzen das Geschlechtsverhältnis schwitzte. Wenn ich aussage, daß es kein Geschlechtsverhältnis gibt, bezeichne ich einen sehr lokalen Punkt. Ein R markieren und es zwischen x und y setzen, um die Beziehung zu bezeichnen, das heißt auf Anhieb, ins Spiel des Schriebs eintreten. Was nun das Geschlechtsverhältnis angeht, so ist es strikt unmöglich, x R y zu schreiben. Es gibt keine logifizierbare, und zugleich mathematisierbare, Erarbeitung des Geschlechtsverhältnisses – das ist der Akzent, den ich auf diese Aussage lege – es gibt kein Geschlechtsverhältnis.
Dies besagt, daß es ohne den Rekurs auf jene unterschiedlichen Konsistenzen – die als solche gewiß homogen sind, aber doch unterschiedlich dadurch, daß sie imaginär, symbolisch und real genannt werden – keine Möglichkeit zum Leiber-Gereibe gibt. Die Differenz dieser Konsistenzen kann nicht auf eine Schrift reduziert werden, die sich aufrechterhalten würde, ich will sagen, die der Probe der Mathematik standhalten/widerstehen würde, und die es erlaubte, das Geschlechtsverhältnis sicherzustellen.
Kein Geschlechtsverhältnis heißt hier: es ist keine logische Form einer Darstellung des Geschlechtsverhältnisses denkbar. Denn in der körperlichen Liebe sind RSI, d.h. alle Register, beteiligt. Sie haben unterschiedliche Konsistenzen, was es unmöglich macht, sie in einer Formel einzufangen.

R.S.I. (60) Zu sagen, es gibt kein Geschlechtsverhältnis, geht aus von der Idee einer physis (orig. griech. UK), die aus dem Geschlecht ein Harmonieprinzip machen würde. Verhältnis heißt bis zum heutigen Tage Proportion. Die Vorstellung, man könne es mit Worten reproduzieren, daß die Worte dazu bestimmt seien, Sinn zu machen, daß daraus, daß das Sein ist, resultiere, daß das Nichtsein nicht ist, es gibt noch Leute, für die das Sinn macht. Der ursprüngliche parmenidische Sinn ist zu einem Geschwätz geworden, und keiner kommt auf die Idee, daß eben dies das Zeichen dafür ist, daß er Wind ist, flatus vocis. Ich sage keineswegs, daß diese Leute im Unrecht wären. Im Gegenteil, sie sind mir wertvoll, weil sie beweisen, daß der Sinn im Äquivok so weit geht, wie man es für meine Thesen wünschen kann, das heißt für den analytischen Diskurs. Sie beweisen, daß vom Sinn aus sich genießt, siehste nich, sich ständig gießt [se jouit, s’ouit-je, s’oui-jouisse]. (…)
Lacan legt seine Voraussetzungen weiter offen: Physis impliziert für ihn etwas Harmonisches. Und Verhältnis steht für Proportion. Er wendet sich gegen eine Lesart des Parmenides‘, in der im ontologischen Sinn aus dem Sein des Seins auf das Nichtsein des Nichtseins geschlossen werden könne. Das Entscheidende im Parmenides liegt im Rekurs auf das Sprechen, auf das von Lacan hier nur mit „flatus vocis“ angespielt wird. Und Sprechen verknüpft sich mit Genießen.

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R.S.I. (65) Eine Topologie ist etwas, das es erlaubt zu begreifen, wie Elemente, die nicht zu zweien verknüpft sind, nichtsdestoweniger Knoten machen können. Wir nennen borromäischen Knoten das, was derart gestaltet ist, daß, entnimmt man, zerreißt man eines der Elemente, das ich hier dargestellt habe – das ist nur seine Darstellung, nicht seine Konsistenz –, alle anderen ebenfalls voneinander gelöst werden. Dies kann gemacht werden für eine so große Anzahl, wie man sie nur angeben kann, und wie Sie wissen, gibt es für diese Angabe keine Grenze. Darin, so scheint mir, kann der Terminus des Nichtgeschlechtsverhältnisses in einer sagbaren Weise seine Stütze finden, insofern er sich wesentlich auf ein Nichtpaarverhältnis stützt.
Ein Geschlechterverhältnis wäre ein Paarverhältnis. Paare können nur durch Ketten dargestellt werden, nicht durch Knoten.

R.S.I. (66) Es gibt meiner Meinung nach keine andere mögliche Definition des Unbewußten. Das Unbewußte ist das Reale. Ich bemesse meinen Ausdruck, wenn ich sage – es ist das Reale, insofern dieses gelocht ist. Ich wage mich ein klein bißchen weiter vor als ich das Recht habe, da es ja außer mir keinen gibt, der das sagt, der das beileibe noch sagt. Bald werden es alle wiederholen, und es muß nur noch darauf regnen, damit es dann ein sehr hübsches Fossil gibt. Aber so weit sind wir noch nicht, und bis dahin ist es etwas Neues. Bis jetzt gibt es nur mich, der gesagt hat, daß es kein Geschlechtsverhältnis gibt, und daß dies an einem Punkt des Seins, des Sprachwesens ein Loch macht. Das Sprechwesen ist nicht weit verbreitet, aber es ist wie der Schimmelpilz, es neigt zur Expansion.
Begnügen wir uns also damit zu sagen, daß das Unbewußte das Reale ist, insofern es beim Sprachwesen behaftet ist mit der einzigen Sache, die Loch macht, die uns das Loch gewährleistet / uns durch das Loch absichert, nämlich mit dem, was ich das Symbolische nenne, indem ich es im Signifikanten verkörpere, von dem es letztendlich keine andere Definition gibt als das Loch. Der Signifikant macht Loch.
Die Tatsache, dass es kein Geschlechterverhältnis gibt, hängt am Signifikanten. Sie ist wie er der Grund für das Loch des Symbolischen.

R.S.I. (70) Den Namen, den Vater als Namen.
Der beinhaltet das lnzestverbot, und er breitet sich zur Kastration hin aus, wie es uns die griechischen Heiden in einer bestimmten Anzahl von Mythen deutlich gezeigt haben. Sie haben eine Genealogie aufgerichtet, die einzig auf den Vater gegründet ist, Uranos, Kronos, und patati und patata, bis zu dem Moment, als Zeus, nachdem er ausgiebig Liebe gemacht hat, auf einen Windhauch hin entschwindet. Aber man muß einen weiteren Schritt tun, um die Verbindung der Kastration mit dem Inzestverbot zu verstehen. Die Verbindung, das nenne ich mein Geschlechtsverhältnis. Der Name-des-Vaters will besagen, daß es in einem borromäischen Knoten eine unbegrenzte Anzahl von Schlingen geben kann. Der springende Punkt ist, daß alles auf einer beruht, auf einer als Loch, die ihre Konsistenz allen anderen mitteilt.
Diese Stelle verknüpft die Frage nach dem nicht existierenden Geschlechterverhältnis mit der Benennung, mit dem Vater des Namens. Der Name, die Namen des Vaters sind mit dem Inzestverbot verknüpft. In Mythen fänden sich hier auch Verbindungen zum Kastrationskomplex. Wenn Lacan diese Verbindung zwischen Kastration und Inzestverbot als sein Geschlechtsverhältnis bezeichnet, dann verstehe ich ihn folgendermaßen: Zwischen der Kastration und dem Inzestverbot gibt es kein Verhältnis (was sich paraphrasieren lässt als: Die Einführung eines Mangels ist nicht Folge der Einführung eines Neins, das vom Vater ausgeht – eine bekannte Lesart etwa von Seminar III).
Rätselhaft ist in dieser Lesart der letzte Satz des Absatzes. Einerseits lässt er sich verstehen als Einschränkung des Vorhergesagten: Das Loch wäre dann doch der Name des Vaters, der strukturierend wirkt. Andererseits – und dazu tendiere ich mehr – könnte diese eine Schlinge ein Vorgriff sein auf SE XXIII. Das Symptom als konsistenter Halt für eine unbegrenzte Anzahl von Schlingen.

R.S.I. (70) Der Beginn eines jeden sozialen Knotens stellt sich aus dem Nichtgeschlechtsverhältnis als Loch her, nicht zwei, mindestens drei. Selbst wenn Sie nur zu dritt sind, gibt das immer vier. Das Einer-mehr ist da, wie dieses Schema zeigt, das ein Beispiel dafür gibt, was ein borromäischer Knoten machen würde, wenn man von der Vorstellung des Kreises ausginge, so wie er sich mit zwei verknüpften herstellt (letztes Seminar- Figur 6 [S. 58]). Selbst wenn Sie nur zu dritt sind, macht das vier, deshalb mein Ausdruck ,.einer mehr”. Und sobald einer weggenommen wird, ein realer, löst sich die Gruppe auf, wodurch bewiesen ist, daß der Knoten borromäisch ist, und daß er wirklich im Minimum aus drei Konsistenzen gebildet ist.
Das „Nichtgeschlechtsverhältnis“ nimmt die Negation in die Relation auf, was eine verdichtende und auch sinnverändernde Wirkung hat (Ich habe kein Verhältnis ist nicht dasselbe wie ein Nichtverhältnis, das ich habe). Jenseits von solchen logischen Spitzfindigkeiten wird hier über die Wirkung in der sozialen Gruppe von etwas gesprochen, das zwischen zweien fehlt. Auch hier ein Richtungswechsel gegenüber einem populären Lacanianismus (Vater/Sprache trennt duale Beziehung zwischen Mutter und Kind). Dual ist da nichts, was stützt. Aber auch die drei sind nicht genug, denn sie tendieren sofort zur Vier.
Mir ist zwar die Bewegung von zwei zu drei noch irgendwie plausibel. Was dann aber zwischen drei und vier passiert, lässt mich schwindlig werden.

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R.S.I. (74) Was bleibt denn wirklich vom Kreis, nachdem er zerrissen ist? Eine endliche Gerade als solche, die man ohne weiteres wegwerfen kann, ein Fetzen, ein Stück Seil aus gar nichts. Lassen Sie mich den Kreis durch die Null darstellen, die durchschnitten wird von dem, was teilt, das heißt der Zwei, also – 0/2 = 1, diese kleine 1 von gar nichts. Hingegen gibt der Schnitt der unendlichen Geraden, der großen 1, zwei Halbgerade, die, wie man sagt, von einem Punkt ausgehen, um ins Unendliche fortzulaufen – ½ = 2.
Dies, um sie spüren zu lassen, was ich darunter verstehe, daß es kein Geschlechtsverhältnis gibt. Gewiß gebe ich dem Wort Verhältnis den Sinn Proportion, aber der mos geometricum [sic] Euklids, der so lange Zeit als das Muster an Logik erschien, ist völlig unzureichend. So gibt es, wenn man sich auf die Figur des Knotens einläßt, eine ganz andere Weise, das Nichtverhältnis der Geschlechter darzustellen – zwei Kreise als unverknüpfte. Ein jeder in seiner Weise sich zu drehen als Geschlecht ist nicht an den anderen geknüpft. Das ist es, was mein Nichtverhältnis bedeutet.
Lacan fragt sich im Vorfeld dieses Zitats, ob ein Kreis und eine Gerade das Gleiche sind und bemerkt Unterschiede, die in topologischer Hinsicht beim geplätteten Knoten auftauchen, wenn Kreis bzw. Gerade zerrissen werden. Der Kreis wird zu einer Geraden, die Gerade zu zwei Geraden. Seiltänzerisch bewegt Lacan sich in der Folge von der Geometrie in die Arithmetik, um sich im nächsten Schritt von einer Harmonie in der Geometrie zu verabschieden – keine Proportionen. Und der Schluss des Arguments klingt eher banal: Kein Geschlechterverhältnis lässt sich mittels zweier unverknüpfter Kreise illustrieren.

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5 Replies to “Geschlecht. Verhältnisse”

  1. Mehr als Notiz an mich selbst, weil ich dem noch nicht weiter in den Seminaren nachgegangen bin (aber es auch gern mal mit euch diskutieren würde):
    Ich behelfe mir beim Lesen der Passagen zum Geschlechtsverhältnisses mit einer eher platten (!) Idee: Es gibt kein Geschlechtsverhältnis, weil Mann und Frau kein Paar aus Gleichen/keine Paarung bilden und auch kein (sonstiges) Ergänzungsverhältnis (wie ineinander greifende Puzzleteile) zueinander haben. Sie suchen im anderen etwas, das dort nicht zu finden ist – den Phallus. Es kann zwar Liebe heißen, zu geben, was man nicht hat, aber das Geschlechtsverhältnis kann, ebensowenig wie der Phallus, nicht gegeben werden, ohne dass man es/ihn hat. Der Mann sucht in der Frau die Bestätigung seines Nicht-Kastriertseins, während die Frau im Mann den Phallus sucht – das kann nichts werden…
    Wie gesagt, das aber noch vor meiner Lektüre von Badiou/Cassin, das hier neben mir liegt, oder einer genaueren Prüfung von Lacans Seminarbemerkungen dazu. Könnte aber sein, dass es lose von Bruce Fink inspiriert ist.

  2. Gerade lese ich Sciacchitanos “Das Subjekt und das Unendliche”, worin er den Stellenwert der Mathematik für die Psychoanalyse diskutiert (das Objekt beider sei das Unendliche), und über das Geschlechtsverhältnis sagt, es gebe es nicht, weil Männer/das Männliche eine Menge seien und Frauen/das Weibliche eine (echte) Klasse.

    1. Das macht viel Sinn, solche Interpretationen zusammenzutragen – in “Keine Frau kein Körper” habe ich ja auch ein paar andere Funde aus früherer Zeit zu Lesarten der Nichtexistenz des Geschlechterverhältnisses angegeben.
      Der Unterschied zwischen Menge und Klasse gehört, kommt mir vor, zu dem Argument dazu. Es sei denn, S. versucht die Frage durch einen Kalauer zum Verschwinden zu bringen.

      Was natürlich legitim ist, aber auch ein bisschen abgedroschen.

      1. Soweit ich mich erinnere, meint S. alles (bier-)ernst. Mir hilft derlei aber so oder so nur bedingt weiter, weil ich mich – wie auch bei den topologischen Figuren – erst schlau machen muss, was genau der Unterschied zwischen Menge und Klasse ist…

  3. Ich füge mal eine etwas längere These zu “Es gibt kein Geschlechterverhältnis” an, die zugegebenermaßen etwas “freestyle” ist und die ich mir als Diskussionsgrundlage vorstelle:

    Könnte man nicht annehmen, dass es angesichts der Titulierung des Menschen als parletre oder angesichts der sprachlichen Strukturiertheit des Unbewussten für Lacan nichts außerhalb der Sprache und des Sprechens gibt (jedenfalls nichts, das in irgendeiner Weise repräsentierbar wäre)? Es „gibt“ etwas bzw. etwas „existiert“ dann in der Sprache oder es existiert nicht. Das würde auch heißen, dass es nur das „gibt“, über das sich etwas sagen lässt. (unter Anerkennung der Annahme, dass sich die Wahrheit nur halbsagen lässt)
    Wenn es dann für Lacan das/ein Geschlechterverhältnis nicht gibt (noch deutlich, wenn man das „rapport“ im Satz mitdenkt), dann wäre das derart zu begreifen, dass sich darüber nichts sagen lässt. Es ist nichts, was innerhalb der Sprache einen Platz hätte. (es existiert nicht, weil es ex-sistiert)

    Ein weiterer Strang der Erhellung des Satzes vom nicht existierenden Geschlechterverhältnis kann von der Bedeutung des Phallus‘ ausgehen. Mann und Frau bzw. Männliches und Weibliches treten nicht in ein (Gleichheits- oder Ergänzungs-) Verhältnis zueinander ein, weil sie einander nicht das geben, was jeweils gesucht wird: den Phallus. Die Frau kann dem Mann nicht die Versicherung seines Nicht-Kastriertseins geben (weil er kastriert ist), und der Mann kann der Frau nicht (s)einen Phallus geben, weil er keinen zu vergeben hat. So bleibt zwischen beiden eine Leerstelle (die Liebe, aber kein Verhältnis ermöglicht).

    Neben dieser eher 1950er-Auslegung wäre eine sich daraus fortsetzende weitere möglich: ein sich auf den Phallus gründendes Nicht-Verhältnis der Geschlechter wäre auch insofern auf Sprache bezogen, als der Phallus das Verweisungs- und Ersetzungsspiel der Signifikanten in Gang setzt. Das mit dem Phallus zusammenhängende Nichtverhältnis wäre unter Umständen ebenso wie dieser sprachstiftend (noch mehr: es würde zeigen, weshalb der Phallus Sprachproduktionen bewirkt). Zieht man nun wiederum Lacans Beteuerung hinzu, es gebe keine Metasprache (d.h. man kann nicht die Strukturen einer Sprache herausarbeiten, ohne zu sprechen – die Mathematisierung käme dem am nahsten), dann könnte man die Annahme vertreten, dass es nur dann ein Geschlechterverhältnis gäbe, wenn es auch eine Metasprache gäbe. Da aber das Geschlechterverhältnis (ob nun als reales oder als ein sich um den Phallus rankendes) sprachstiftend ist, kann man nur aus diesem heraus sprechen (und muss es sogar), aber nichts darüber sagen (=ich kann mich im Sprechen nicht außerhalb der Sprache positionieren).

    Dann wiederum wäre der Satz „Es gibt kein Geschlechterverhältnis“ nicht ganz so rätselhaft wie er zunächst scheint. Es wäre damit nur festgehalten, dass sich in (symbolischer, signifikativer) Sprache nichts darüber sagen lässt, was Sprache konstituiert oder bewirkt. Ich kann höchstens den Versuch unternehmen, Ziffern, Buchstaben, Matheme oder (mathematische) Projektionen/Diagramme als etwas zu betrachten, das etwas vom Realen (d.h. dem, was ex-sistiert) berührt (und für die analytische Situation führt das in ein Sprechen, das sich vom Symbolischen entfernt, im Stimmlichen, Äquivokalen oder Debilen).

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