Für Lacan waren Orte, Plätze, Positionen für die Form seiner theoretischen Beschreibungen in doppelter Hinsicht bestimmend. Einerseits hat Lacan jeweils an einem bestimmten Ort gesprochen. Und Cormac Gallagher (2009) hat den oft so prekären Ort für Lacans Lehre (vgl. dazu auch Gallagher 2004) in Verbindung mit einzelnen, platzbezogenen Themen in dessen späteren Seminaren gebracht. Andererseits sind Ortsbestimmungen für Lacan inhaltlich wichtig. Beispiele dafür sind seine Matheme als Formeln, die nur unter Berücksichtigung topischer Aspekte sinnvoll sind, wie seine Vier Diskurse oder die Sexuierungsformeln.
In den sogenannten Vier Diskursen beschreibt Lacan vier Plätze, zwischen denen vier Strukturen rotieren und mit ihrer jeweiligen Position das Funktionieren des Diskurses nicht nur gewährleisten, sondern diesem auch sein spezielles Gepräge geben. In L’Etourdit (Lacan 2001) betont er, dass etwas Gesagtes seine Bedeutung von einem Platz im Diskurs aus zugewiesen bekommt, was sich als Anspielung auf die besondere Position des Agenten zu verstehen lässt. Dieser Platz wird oft verschleiert, wird zu etwas, was Lacan “Schein” nennt. Der Agent im Herrendiskurs bediene sich gerne eines Alibis, als sei er nicht am Ort.
Lacan selbst spricht in L’Etourdit nicht als Herr oder als Professor, nicht vom Platz des Agenten aus, sondern als Analysant (vgl. auch für das Folgende Gallagher 2009, 5f.). L’Etourdit ist kein Plädoyer für einen nach medizinischen Regeln geordneten Diskurs über PatientInnen, wie Lacan ihn in St. Anne im Rahmen eines psychiatrisch motivierten Seminars gehalten hat und wie er über Dora oder den Rattenmann und andere PatientInnen gesprochen hat. In L’Etourdit wirkt er viel mehr wie der Bruder seiner PatientInnen. Soll diese Geste als Alibi verstanden werden? Sie hat jedenfalls zumindest nicht verhindert, dass Lacan im Nachhinein von seinen mehr als 700 HörerInnen zum Herren und Meister erhoben wurde. Ein Trick oder ein Versehen?
Literatur
Gallagher, Cormac (2004): Where was Jacques Lacan in 1971-1972? …ou pire and the Knowledge of the Psychoanalyst, in: The Letter 30, 1-19.
Gallagher, Cormac (2009): Laytour, Latetour, L’Etourdit, in: The Letter 41, 1-17.
Lacan, Jacques (2001): L’Etourdit, in: ders. (2001): Autres écrits. Paris: Seuil, 449-495