Gedankensplitter: Sinn und Psychoanalyse

Einige Thesen in Lacans Seminar XX gehen den Körper von der Psychoanalyse als einer sich auf gesprochene Sätze stützenden Redekur her an. Im Folgenden findet sich eine kleine Sammlung von Überlegungen Lacans, die vor jeder Behandlung des Körpers in der Psychoanalyse zu berücksichtigen sind. Er betont nämlich: Der analytische Diskurs zielt auf den Sinn (Lacan 1991, 86). Damit scheint er in eine Richtung zu argumentieren, die er selbst vielfach kritisiert und die gerade in seinem Namen auch infrage gestellt wird (vgl. Pazzini 1999). Das überrascht. Doch er sagt es nicht, ohne diese Behauptung gleich wieder einzuschränken: Die Analyse zeigt, dass der Aufnahme von Sinn Grenzen gesetzt sind (Lacan 1991, 86). Als geschlechtlicher Sinn tauche der Sinn nur anhand seiner Grenze auf.
Jeden (tieferen) Sinn einer Aussage über Männlichkeit und Weiblichkeit weist Lacan explizit zurück: Im analytischen Diskurs werde deutlich, dass der geschlechtliche Sinn Schein ist (ebd.). Frauen und Männer schreiben sich auf beide Seiten der Sexuierungsformeln ein (ebd., 87). Sie zeigen keine ihrem jeweiligen Geschlecht sinnvoll zuordenbaren Unterschiede im Hinblick auf ihr Begehren und Genießen. Und der Phallus symbolisiert das Scheitern des Sinns (ebd.). Der andere (Geschlechtspartner) wird nur über das Phantasma a als einer Ursache des Begehrens erreicht. Die Mischung zwischen dem Wünschen eines Subjekts und der äußeren Realität wird von der Seite des Subjekts her modifiziert, indem das Phantasma das Realitätsprinzip stützt (ebd.).
Das durchgestrichene “Die” der Frau hat ein Verhältnis zum Signifikanten A als einem gebarrtem (ebd.). Und anders, als es noch wenige Jahre zuvor für Lacan selbstverständlich schien, ist der große Andere kein Garant der Wahrheit mehr. Der Andere wird vor allem in seinem Verhältnis zum nicht existierenden “Die” beschrieben, sei also nicht so sehr als ein Ort anzusehen, an dem “die Wahrheit lallt” (ebd., 88).
Die Behauptungen zur begehrens- und genießensbezogenen Austauschbarkeit der beiden Geschlechter und zum Fehlen eines Verhältnisses zwischen ihnen werden von Lacan auch mit Überlegungen zum Diskurs der Wissenschaft verknüpft: Die Wissenschaft schaffe ein soziales Band (ebd., 89), worin sich Lacans distanzierte Haltung zur Wissenschaft zum Ausdruck bringt. Er wird dabei auch pauschal: Alle Erkenntnis hat Teil am Phantasma einer (möglichen) Einschreibung des geschlechtlichen Bandes. Nichts entgehe dem. Und er nennt das Beispiel von “aktiv – passiv”, mit dem Freud bekanntlich nicht ohne Referenz auf Geschlechterstereotypen, die uns heute seltsam scheinen, argumentiert. Lacan lehnt die darin enthaltenen Festlegungen ab. Da sich das Geschlechtsverhältnis nicht sagen lässt (ebd.), denkt Lacan auch sämtliche Erkenntnisprozesse durchtränkt von einer Bewegung entlang der oben genannten Grenze, an welcher das Geschlechtsverhältnis im Nicht-Sinn untergeht (ebd., 95).
Was den Körper betrifft, bilden die genannten Überlegungen ein Konglomerat, das die Sinnlosigkeit des Körpers als solchen weit in die Sprache hinein ausdehnt.

Literatur
Lacan, Jacques (1991 [1975]): Das Seminar. Buch XX (1972-1973). Encore, Weinheim, Berlin: Quadriga, 2. Aufl.
Pazzini, Karl-Josef (1999): Über die Produktivität von Unsinn. Ex- und Implosionen des Imaginären, in: Warzecha, Birgit (1999) (Hg.): Hamburger Vorlesungen über Psychoanalyse und Erziehung, Hamburg: Lit-Verlag, 137-158.

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